BRITNEY SPEARS: WIE SICH DIE US-SäNGERIN AUS DEN FäNGEN IHRES VATERS BEFREITE

Erst jetzt sei ihre Freiheit »wirklich vollständig«: Britney Spears zahlt ihrem Vater offenbar Millionen und muss ihn dafür nicht mehr sehen. Was ist da los? Der Überblick.

Der Prozess Spears gegen Spears ist endgültig ausgestanden: Zweieinhalb Jahre nach Beendigung der Vormundschaft haben sich Vater und Tochter auf die Zahlung einer Millionensumme geeinigt. 13 Jahre, von 2008 bis 2021, stand Britney Spears unter der Vormundschaft ihres Vaters Jamie – und, wenn man ihr glaubt, auch unter vollständiger Kontrolle. Wie konnte es so weit kommen und wie endete die Situation?

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Der Sorgerechtsstreit

2007 ist Britney Spears einer der erfolgreichsten Popstars in den USA und dem Rest der Welt – und ein Mensch mit großen Problemen zugleich. Schlagzeilen macht zu dieser Zeit das Scheitern ihre Ehe mit dem Tänzer Kevin Federline, mit dem sie zwei Kinder hat. Hinzu kommen massive Drogenprobleme. Wie sehr sie auf der Suche nach sich selbst ist, illustriert vielleicht diese Begebenheit ganz gut: Im Februar des Jahres wird die damals 25-Jährige dabei beobachtet, wie sie vor einem Friseur parkt, zehn Minuten im Auto weint, schließlich hineingeht – und sich dann selbst den Kopf rasiert. Dann geht sie in den nächsten Laden und lässt sich Kopf Nacken und Unterarm tätowieren.

Später im Jahr sehen sich Spears und Federline vor Gericht wieder, es geht um das Sorgerecht für die damals ein und zwei Jahre alten Söhne. Der Richter attestiert ihr, sie sei eine »gewohnheitsmäßige« Konsumentin von verbotenen Substanzen und Alkohol, und verlangt von ihr regelmäßige Drogentests. Das alleinige Sorgerecht bekommt vorläufig Federline zugesprochen.

Weg in die Psychiatrie – und die Vormundschaft

Die Situation spitzt sich weiter zu, immer tiefer rutscht die Sängerin ab. Als Anfang Januar 2008 ihre Söhne zu Besuch bei ihr sind, schließt sie sich mit beiden über Stunden ein. Die Polizei muss einschreiten, Britney Spears wird mit einer Trage aus dem Haus in eine Klinik gebracht. Ihr wird zunächst zwischenzeitlich das Besuchsrecht entzogen, Ende Januar wird sie dann für längere Zeit in die Psychiatrie eingewiesen. In Medienberichten ist die Rede von »unberechenbarem Verhalten«, Spears stelle »eine Gefahr für sich und andere« dar.

Praktisch gleichzeitig mit ihrer Klinikeinweisung verliert die Sängerin ihre Geschäftsfähigkeit: Ihr Vater Jamie wird von einem Gericht in Los Angeles als ihr Vormund eingesetzt.

Was bedeutete die Vormundschaft?

Die Entscheidung des Gerichts erfolgt in einer Extremsituation, aber sie hat lange Zeit darüber hinaus Bestand. Zunächst wird sie verlängert, dann für permanent erklärt. Lange Jahre verwaltet Britneys Vater Jamie Spears ihre Finanzen sowie ihre persönlichen Anliegen – darunter auch medizinische Fragen. Letzteren Teil gibt er 2019 ab an eine professionelle Mit-Vormundin, das Vermögen verwaltet er noch zwei weitere Jahre.

Was Britney Spears in den Jahren der Vormundschaft darf und was nicht, ist Gegenstand eines Streits mit ihrem Vater, der sowohl in der Öffentlichkeit als auch vor Gericht ausgetragen wird. Spears erhebt heute schwere Vorwürfe – und diese reichen weit darüber hinaus, dass ihr Vermögen nicht unter ihrer Kontrolle gewesen sei. So sei sie gegen ihren Willen zu einer Welttournee gezwungen worden und zu einer Therapie. Ebenso habe sie eine Verhütungsspirale tragen und Lithium einnehmen müssen – von dem sie sich wie betrunken gefühlt habe. Zudem wird berichtet, dass unter der Vormundschaft von Jamie Spears das Schlafzimmer seiner Tochter verwanzt gewesen und Daten von ihrem Handy kopiert worden seien. Das Verhalten zeigt alle Anzeichen einer toxischen Beziehung, die Sängerin spricht heute von »Missbrauch«. Jamie Spears bestreitet die Vorwürfe.

Trotz oder wegen der Vormundschaft: In all den Jahren ist Britney Spears eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Sängerin. Sie arbeitet durchgehend, veröffentlicht vier Alben, absolviert ebenso viele Welttourneen und tritt über mehrere Jahre mit einer eigenen Show in Las Vegas auf. Sie bringt Dutzende Düfte ihrer Parfümlinie heraus, Kleidung und ein Videospiel. Und sie nimmt mehrere Hundert Millionen Dollar ein – von denen sie nur einen Bruchteil ausgezahlt bekommt.

Der Weg in die Freiheit

Viele dieser Vorwürfe werden erst in den letzten Jahren von Jamie Spears' Vormundschaft bekannt. Zu verdanken sind die dem erwachten Kampfgeist der Sängerin – und einem unterstützenden Umfeld. »Free Britney« lautet das Motto (und der Hashtag) der Bewegung, die um die Sängerin herum entsteht.

Dabei beginnt alles mit einem anonymen Anruf: Jemand meldet sich Anfang 2019 bei einem Britney-Spears-Fanpodcast und gibt sich als ehemaliger Mitarbeiter einer Kanzlei aus, die für Spears' Vormundschaft arbeitet. Die Sängerin befinde sich gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik, seit Monaten, dies werde geheim gehalten und geleugnet. Dass Britney Spears zu jener Zeit in der Klinik war, ist heute unstrittig – ob und wie freiwillig der Aufenthalt war, darüber gibt es viele Versionen. Was man sagen kann: Auch wenn es immer öffentliches Interesse an der Situation der Sängerin gab – vielleicht ist dies der Zeitpunkt, zu dem sich das Narrativ zum ersten Mal änderte und eine Bewegung daraus wurde: »Free Britney«, hieß der Hashtag.

Britney Spears versucht in der Folge vor Gericht, ihren Vater aus der Vormundschaft zu entlassen. Sie scheitert zwar – und hatte dennoch Unterstützung, daraus einen Etappensieg zu machen: Sie erklärt, nicht mehr aufzutreten, bis ihr Vater die Vormundschaft abgegeben hat.

Zur selben Zeit erscheint die Dokumentation »Framing Britney Spears« der »New York Times«: Die Zeitung fasst darin die bekannten und bis dahin unbekannten Vorwürfe an Jamie Spears zusammen und verleiht den Unterstützerinnen und Unterstützern Aufwind: »Wir lieben Britney«, ruft Miley Cyrus beim Super Bowl, Courtney Love Cobain, Sarah Jessica Parker oder Bette Middler posten den Hashtag. Im Herbst legt die Zeitung mit der Dokumentation »Controlling Britney Spears« nach. Schließlich scheint der Druck zu groß: Im September 2021 beantragt Jamie Spears, als Vormund zurückzutreten – zwei Monate später wird die Vormundschaft endgültig aufgehoben.

Die zweite Freiheit

Mehr als zwei Jahre liegt das Ende der Vormundschaft für Britney Spears nun zurück – vorbei sind die Geschehnisse für sie offenkundig erst jetzt: Rund zwei Millionen Dollar muss sie ihrem Vater nach Insiderinformationen zahlen, es handelt sich offenbar um Anwaltskosten, die Jamie Spears im Rechtsstreit mit seiner Tochter angesammelt hat.

»Wütend« sei sie über die Zahlung, heißt es aus dem Umfeld – und doch kann sie ihr offenbar etwas abgewinnen. So sagt ihr Anwalt Matthew Rosengart: »Obwohl die Vormundschaft im November 2021 beendet wurde, ist ihr Wunsch nach Freiheit nun wirklich vollständig. Wie sie es sich gewünscht hat, beinhaltet ihre Freiheit nun auch, dass sie in dieser Angelegenheit nicht mehr vor Gericht erscheinen oder sich mit ihm auseinandersetzen muss.«

Mit anderen Worten: Die Tochter hat die Dinge mit dem Vater geklärt.

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