RETTET DIE MEERE: SANTIANO IN DER FRANKFURTER FESTHALLE

Frankfurt ⋅ Alle Matrosen an Deck, Anker lichten und Segel setzen – die Frankfurter Festhalle sticht mit der Crew von Santiano in See. Es ist Zeit, wilde Abenteuer zu erleben, Rum zu trinken und einen Ritt über die raue See zu erleben. Das zumindest besingt die Band aus Schleswig-Holstein und es gefällt dem Frankfurter Publikum. Die erste Fahrt zieht Santiano ins „Doggerland“, nach dem auch das neue Album und die aktuelle Tour benannt sind. Doch ein Besuch wird schwierig. Das besungene Stück Land ist längst versunken, wie einst das sagenumwogende Atlantis. Doggerland war eine Landbrücke zwischen Großbritannien und Jütland, die durch den ansteigenden Meeresspiegel der Nordsee vor Tausenden von Jahren nach und nach verschlungen wurde.

Wie unerbittlich und schön zugleich das Wasser sein kann, hat der Fiedler Pete Sage am eigenen Leib erfahren. Seine Frau und er gerieten vor etwa einem Jahr in Seenot und mussten von ihrer sinkenden Yacht gerettet werden. Jetzt ist die Band Botschafter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, passend zu ihrem Shanty-Rock. Die Faszination Santiano macht wohl aus, dass sie verschiedene Genres mischen, Folk, Rock, Pop und ein bisschen Schlager, gepaart mit der Sehnsucht, zur See zu fahren, fremde Länder zu entdecken und dem heimisch Bekannten zu entfliehen.

Gesang von der Freiheit

Die Musiker schlagen während ihres fröhlichen Konzertabends auch ernste Töne an. Sie erinnern daran, dass die Seefahrtsromantik gar nicht mehr so schön ist. Das Meer sei verschmutzt, übersät mit Plastik, in dem sich Tiere verfangen und verenden. „Wir alle kennen die schrecklichen Bilder“, sagt Frontmann Björn Both. Die Rechnung des Filmemachers und Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau, der der ganzen Welt die Ozeane und ihre Bewohner nahegebracht habe, sei nicht aufgegangen. Wenn der Mensch etwas liebe, werde er es auch schützen, habe Cousteau gehofft. Aber das Verhältnis von Mensch und Natur sei nicht besser geworden. Both ruft deshalb dazu auf, sich für den Schutz der Meere einzusetzen und stimmt die Hymne „Blauer Planet“ an.

Oft singen Santiano auch von der Freiheit, einem Wort, das sie „schon gar nicht mehr in den Mund nehmen“ möchten. Für alles Mögliche müsse die „alte Dame“ inzwischen herhalten. „Die Freiheit geht mit jedem mit, der ihr einen billigen Drink ausgibt“, sagt Both. Was genau er damit meint, trägt er in einem kämpferischen Monolog vor. In regelmäßigen Abständen komme „irgendeine Knalltüte“ daher und spanne sie vor seinen Karren, krakeele in Kameras und Mikrofone und kämpfe seiner Meinung nach für die Freiheit, meine aber lediglich „Ignoranz und Intoleranz“. Oft plärrten Menschen für die Freiheit, die gar nicht begriffen hätten, was sie eigentlich sei. Freiheit könne nur einem Herzen entspringen, das „groß, weit und geöffnet“ sei.

Ist das nicht alles ein wenig zu ernst? Das Publikum nimmt es gelassen, applaudiert mal verhalten, mal enthusiastisch. Nach mehr als 20 Liedern tritt die Crew eine besondere Reise an – die Heimreise. Die Töne erklingen nun nicht mehr in Moll, sondern in Dur – die heimatlichen Gewässer liegen vor ihnen, sie stimmen das Lied „Angekommen“ an. Natürlich lassen es sich Santiano nicht nehmen, mit Songs wie „Mädchen von Haithabu“, dem Cover „Diggy Liggy Lo“ und „Hoch im Norden“ eine ausgiebige Zugabe zu geben. Bis das Schiff schließlich wieder sicher im Hafen ist.

2024-04-24T20:07:33Z dg43tfdfdgfd