MERZ UND WüST - ZWEI MäNNER IN DER ACHTERBAHN

Berlin. Und noch ein Doku über Friedrich Merz - diesmal in der ARD. Mit einem joggenden Generalsekretär Carsten Linnemann, einem auffallend häufig lächelnden Hendrik Wüst und einem CDU-Vorsitzenden im Charming-Modus.

Die filmische wie politische Achterbahnfahrt des Friedrich Merz endet nach gut einer Stunde vor dem Fahrstuhl unweit seines Bundestagsbüros. Die Lifttür klingelt, Merz hebt den Finger, dreht sich wieder um und sagt: „Ach, jetzt weiß ich, was ich vergessen habe.“ So kann’s gehen – manchmal muss es einfach bimmeln und der Groschen fällt. Wie bei jedem anderen auch.

Irgendwie beschleicht einen derzeit das Gefühl, dass Friedrich Merz in die Charmeoffensive geht. Gewiss, kommende Woche beginnt der CDU-Parteitag in Berlin, auf dem er wieder gewählt werden soll. Da bietet es sich an, mehr von sich Preis zu geben, sich vielleicht in einem anderen, besseren Licht darzustellen. Erst also neulich eine Doku im ZDF über den 68-Jährigen, dann das große Interview mit seiner Frau Charlotte in einer Boulevardzeitung, und am Montagabend auch noch ein Film über den Sauerländer im Ersten: „Die Merz-Strategie - wohin steuert die CDU?“. Mit der Kamera waren die Filmemacher Ben Bolz, Philipp Grüll, Johannes Lenz und Lucas Stratmann den Protagonisten der Union sehr nah auf den Fersen. Mittendrin statt nur dabei, zum Teil ist das gelungen.

In den letzten zwei Jahren seit seiner ersten Wahl zum Parteichef ging es für Merz jedenfalls politisch mal auf, mal ab. Das zeichnet die Doku ziemlich gut nach. Achterbahn halt. Im Moment fährt der Merz-Zug stabil geradeaus. Dass dem so ist, hat er wohl auch seinem vor knapp einem Jahr neu berufenen Generalsekretär Carsten Linnemann zu verdanken, der in dem Film eine wesentliche Rolle spielt. Linnemann joggt gerne frühmorgens durchs Regierungsviertel. Das ist das eine. Das andere sind Sätze wie dieser: „Wir brauchen wieder eine tolle Erzählung für die CDU.“ Deswegen das neue Grundsatzprogramm. Oder aber: „Ich habe einfach Bock auf Debatten“, betont Linnemann an anderer Stelle im Film. Ganz der Macher, ganz im Sinne von Merz. Kamera-Drohnenflug inklusive.

Ein anderer kommt auch ausgiebig zu Wort – NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Das Verhältnis Merz und Wüst hat ebenso etwas mit Achterbahn zu tun. Beide lieferten sich im Sommer letzten Jahres ein veritables Scharmützel; erst schriftlich, als Wüst einen Gastbeitrag mit dem Titel „Das Herz schlägt in der Mitte“ veröffentlichte, just vor dem kleinen Parteitag der CDU – und just in der Phase, als die Autorität von Merz kräftig angekratzt gewesen ist wegen umstrittener Äußerungen unter anderem zur AfD. Der CDU-Chef antwortete damals mit einer formidablen Gegenattacke im Fernsehen. Ja, so räumt Merz im Film ein, er sei seinerzeit „angefasst“ gewesen.

Wüst wiederum lächelt auffallend oft überlegen in dem Streifen. Mehrfach wird er zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Kanzlerkandidatur gefragt: „Ein Landesvorsitzender der CDU-Nordrhein-Westfalen, gerade wenn die CDU hier eine Regierung führen kann, spielt immer seine Rolle in der Bundespolitik“, sagt er an einer Stelle vielsagend. Ob er sich als Kanzlerkandidat auch habe ins Spiel bringen wollen, wird er dann gefragt. „Nein“, so die kurze Antwort des NRW-Mannes. Längst wollen sich die beiden unter vier Augen ausgesprochen haben und nun ein „freundschalftliches Verhältnis“ pflegen. Und Wüst betont mit Blick auf die K-Frage ebenfalls: „Wenn es dann entschieden ist, stehen wir wie ein Mann hinter dem Kandidaten, der es dann ist.“ Was sich noch zeigen wird. Vielleicht muss auch erst wieder das Bimmeln einer Fahrstuhltür für Erkenntnis sorgen.

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