ZUKUNFT DER JUGEND: WIE DER AFD IHRE MEDIENAUFTRITTE AUCH BEI MANCHEN JUNGEN LEUTEN NUTZEN

Seit einigen Wochen scheint die Bestürzung über die Zustimmungswerte der AfD in der deutschen Medienlandschaft einer fragwürdigen Sensationslust gewichen zu sein. Sie äußert sich etwa in der Inszenierung von Interviews mit rechten Spitzenpolitikern als mediale Großereignisse. Immer noch scheint dabei die heimliche Hoffnung mitzuschwingen, das Konstrukt „AfD“ durch einen einzigen Talk, gespickt mit rhetorischen Kniffen aus dem aristotelischen Lehrbuch, zum Einsturz bringen zu können.

Doch das, womit sich schon Thomas Gottschalk 1992 im Gespräch mit Franz Schönhuber blamierte, gelingt heute auch nicht. Was es damals wie heute braucht, um den Rechten in ihrer emotionsgetriebenen Postfaktizität beizukommen, ist eine umfassend informierte Moderation, die mit inhaltlichen Fragen die realpolitische Unhaltbarkeit der ideologischen Parteiprogrammatik aufzeigt und dem Gegen­über keinen Raum zur Emotio­nalisierung überlässt.

Moralisierung statt Analyse

Stattdessen forderte etwa Caren Miosga vom AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla vor allem moralisierende Stellungnahmen zum Verhalten seiner Kollegen, während Maximilian Krah bei Tilo Jung ständig mit leeren populistischen Phrasen davonkam. Tatsächlich lässt sich dieses Medienphänomen als Symptomatik jener Entwicklung des öffentlichen Diskurses verstehen, bei der demokratische Stimmen den Rechten zuweilen nur ein „Ja, aber“ statt eines klaren „Nein“ entgegenzusetzen wissen.

Selbstredend, dass eine solche Gesprächsführung für die medienerfahrenen Spitzenpolitiker der AfD Einladungen sind, sich als besonnene Vertreter eines bürgernahen Konservatismus zu inszenieren.

Worüber sich die Vertreter des „Politainments“ in ihrem Moralisierungseifer jedoch scheinbar nicht bewusst sind, ist die doppelte Konsequenz, die ihr nachlässiger Umgang mit den rechten Galionsfiguren angenommen hat. Längst haben sich rechte Gruppierungen in ihrer Ablehnung der „Mainstreammedien“ sozialen Netzwerken zugewandt, um dort ungehemmt neue Wählergruppen mit ihren Gesinnungsinhalten zu mobilisieren.

Die vermeintliche Salonfähigkeit der Partei

Hierfür haben besonders Kurzvideos von Auftritten der AfD-Politiker in anderen Medienformaten Hochkonjunktur. Durch geschickte Verkürzung sollen sie zeigen, wie die scheinbar sinnfälligen Überzeugungen von auftrumpfenden AfD-Vertretern endlich in die Kreise der vom Establishment Verblendeten getragen werden, die in diesen Videos natürlich immer als Verlierer dastehen.

Interviews wie die der vergangenen Wochen bieten genau dafür ergiebiges Material und lohnen sich deshalb für die Partei gleich doppelt, zumal sie dem Publikum verdeutlichen, dass die AfD auch außerhalb der digitalen Plattformen auftritt und damit eine Salonfähigkeit der Parteipositionen implizieren.

So ist die AfD zwar nicht imstande, eine kohärente Programmatik zu entwickeln, die kritischen Fragen eines Drittsemesters der Politikwissenschaft standhalten könnte. Doch das Potential sozialer Medien für ihre Zwecke hat sie schneller als alle anderen Parteien erkannt und konsequent ausgebaut.

Eindeutige Zahlen

Aktuelle Zahlen zeigen, dass die AfD die mit Abstand erfolgreichste Partei bei der digitalen Ansprache der Wähler ist und im Vergleich massiv in die Erstellung und Verbreitung der Inhalte investiert. Vor allem auf Tiktok mit seinen auf Zuspitzung konditionierten ­Algorithmen reüssiert die AfD: Im Schnitt werden ihre Videos dort 430.000 Nutzern angezeigt, während es bei der zweitplatzierten FDP nur noch 53.000 sind.

Gerade auf dieser Plattform, die von mehr als der Hälfte der deutschen Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren genutzt wird, erreicht sie eine ausgesprochen junge und beeinflussbare Klientel, die in der parteilichen Wähleransprache häufig vernachlässigt wird. So ist es wohl auch dieser passgenauen Strategie zuzurechnen, dass der Anteil der Erstwähler an den Gesamtstimmen von 6 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 auf 15 beziehungsweise 16 Prozent bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im vergangenen Jahr geschnellt ist.

Diese nach rechts driftende Jugend als tatsächliche Gefährdung der pluralen Demokratie hat noch nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient. Dabei könnten ihre politischen Präferenzen schon im „Superwahljahr 2024“ mit der Europawahl, für die das Wahlalter erstmals auf 16 Jahre gesenkt wird, und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ernste politische Realität werden.

2024-04-30T07:29:31Z dg43tfdfdgfd