AUTOMATENKöNIG PAUL GAUSELMANN: „ICH HABE MICH NIE VERZETTELT“

Viele wissen nicht, dass die Merkur-Sonne eigentlich der kleine Planet selbst sein sollte. Da das Logo aber mit seinen Strahlen eher dem Stern als ihrem nächsten Planeten ähnelt, gab man auch im Unternehmen selbst irgendwann auf, gegen diese Wahrnehmung anzukämpfen. Die Sonne schmückt Spielhallen und Automaten im ganzen Land. Selbst wer noch nie eine Spielhalle betreten hat, dürfte die Automaten in einer Kneipe oder einem Dönerladen schon gesehen haben.

Anfang des Jahres folgte der Rest des Unternehmens mit Sitz im ostwestfälischen Espelkamp diesem Beispiel. Die Gauselmann-Gruppe wurde zur Merkur-Gruppe umbenannt, das Unternehmen im Zentrum zur Merkur.com AG. „Aber der Name Gauselmann bleibt in der Familienstiftung erhalten“, sagt Paul Gauselmann, Gründer und Vorstandsvorsitzender des Unternehmens, das er 2016 in den Besitz der Stiftung überführte.

67 Jahre seines Lebens bringt Paul Gauselmann schon mit der Herstellung von Spielautomaten und dem Betrieb von Spielhallen zu. Im August 2024 will er seinen 90. Geburtstag feiern. Trifft man ihn in seinem Büro in Espelkamp, ist kein Hauch von Nostalgie zu spüren. Auch mit fast 90 Jahren denkt er vornehmlich an die Gegenwart und die Zukunft. Ob das Geschäft nun unter Ludwig Erhard oder Olaf Scholz besser lief, scheint ihm einerlei. Wenngleich er kein Fan der momentanen Bundesregierung ist, die er für viel zu zerstritten hält, wie er im Gespräch mit der F.A.Z. betont.

Nach wie vor arbeitet er an fünf Tagen in der Woche, vier davon im Büro und Werk. „Solange es nötig ist, werde ich meine Post machen, werde Entscheidungen treffen und meinen Namen hergeben“, sagt Gauselmann auf die Frage, ob er mit der Umbenennung des Unternehmens nun selbst ans Aufhören denkt.

Mehr als seine eigene, so Gauselmann, sei die Zukunft des Unternehmens entscheidend für den Namenswechsel gewesen. Weiteres Wachstum sieht er vornehmlich außerhalb Deutschlands. „Wir machen heute schon 60 Prozent unseres Umsatzes im Ausland“, sagt er. „Der Name Gauselmann ist aber im Ausland kein Begriff. Die Marke Merkur dagegen schon.“ Momentan konzentriert sich das Unternehmen auf Osteuropa, mit jüngsten Erfolgen in Serbien.

Geschäft unter dem Brennglas der Politik

Das Geschäft in Deutschland läuft im Moment vergleichsweise schleppend. Wobei dies nicht an der eigenen Leistung liege, sondern eher an der um sich greifenden Regulierung. „Die 40 Prozent des Umsatzes im Inland sind politisch abhängig“, sagt Gauselmann. Anschaulich wird das am Beispiel einer Merkur-Spielhalle im Zentrum von Espelkamp. Eigentlich könnte sie vier Konzessionen mit je 12 Spielautomaten beherbergen – vor einigen Jahren noch möglich. Derzeit darf Merkur aufgrund geltender Abstandsregeln noch zwei Konzessionen betreiben werden, bis 2028 muss es eine weitere aufgeben.

Die strengere Regulierung seit 2012, die in den darauffolgenden Jahren griff, ist aber wahrscheinlich in einem Boom begründet, der in den Jahren davor wegen eines laxeren Regimes entstehen konnte. Gauselmann selbst sagt, dass sich die Umsätze der Gruppe von 2006 bis 2012 verdoppelt hatten. Infolgedessen wurden Spielhallen im deutschen Stadt- und Ortsbild präsenter, Kritiker forderten eine Eindämmung. Die Kehrseite der geringen Regulierung war allerdings eine drastische Reduzierung des illegalen Spiels – eine Entwicklung, die sich mit der strengeren Regulierung im Moment wieder ins Gegenteil verkehrt.

Einfacher lassen sich staatliche Spielbanken betreiben, wie die Merkur-Gruppe das seit 2013 tut. Zwar haben sie ähnliche Regeln wie Spielhallen, was die Kontrolle von Spielgästen angeht. Aber mit Einsätzen und Spielzeiten kann dort freier umgegangen werden. „Wir konnten unsere über Jahrzehnte gewonnenen Erfahrungen in Bezug auf die Wünsche unserer Spielgäste auch auf die Spielbanken anwenden“, sagt Gauselmann.

Insgesamt geht es dem Unternehmen gerade gut. Mit seinen 214 im Konzernabschluss genannten Tochterunternehmen und Beteiligungen erwirtschaftete die Merkur.com AG 2022 einen Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro. 2021 waren es coronabedingt noch 1,8 Milliarden Euro Umsatz, Mitte der Zehnerjahre rund 3 Milliarden Euro.

Dotcom kommt für Spielhallen zwanzig Jahre später

2021 wurde Online-Glücksspiel in Deutschland offiziell erlaubt. Tochterunternehmen der Merkur-Gruppe gehörten 2022 zu den ersten, die legales Online-Automatenspiel in Deutschland betreiben durften. Auch der Expansion ins Netz soll der „.com“-Bestandteil des Namens Rechnung tragen. Da die Spiele in den Spielhallen ohnehin digital sind, ist der Sprung ins Internet ein – mehr oder minder – leichter. Es gelten strenge Auflagen, wie schnell gespielt werden darf, wie hoch die Einsätze sind und wie die Spiele präsentiert werden dürfen.

Das Geschäft sei ausbaufähig, sagt Gauselmann. Die momentane Regulierung mache legale Spielangebote zu unattraktiv. Spieler wanderten zu illegalen Anbietern ohne die Beschränkungen ab, analog zur Situation in den Spielhallen. „Im Internet führen die gesetzlichen Restriktionen zum Beispiel dazu, dass 75 bis 80 Prozent des Gesamtumsatzes zu illegalen Anbietern fließen“, sagt Gauselmann und beruft sich dabei auf eine Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen. Ihr zufolge verbringen Spieler im Internet etwa hälftig ihre Zeit bei legalen und illegalen Anbietern. Da aber die Einsätze bei illegalen Anbietern wesentlich höher sein können, vermuten die legalen Anbieter, dass mehr Geld an die illegalen geht.

Dass es enge Grenzen für das Glücksspiel braucht, sieht der Unternehmer indes durchaus ein. „Ich gebe zu, dass es bei uns Menschen gibt, die es mit dem Spielen übertreiben, was die finanziellen Möglichkeiten anbetrifft.“, sagt er mit Blick auf Spielsucht und problematisches Spielverhalten. Vorwürfe, dass er auf dem Rücken Spielsüchtiger sein gesamtes Geld verdiene, bestreitet er aber jedes Mal forsch, sobald das Thema aufkommt. Leute mit Problemen bringen diese in die Spielhalle mit und entwickeln sie nicht dort, lautet sein Argument.

Trotz aller Widrigkeiten hat Gauselmann kein Interesse daran, sein Unternehmen zu verkaufen oder in andere Branchen einzusteigen: „Ich habe mich nie verzettelt.“ Die Spielregeln der Familienstiftung verhindern einen Verkauf auch in Zukunft weitestgehend. „Eine Veräußerung von Stiftungsunternehmen ist nur im Ausnahmefall möglich und dann auch nur, wenn die vier Familienstämme mehrheitlich dafür stimmen“, sagt Gauselmann.

Das Erbe ist geregelt

Die Familien seiner vier Söhne haben gleiches Stimmrecht in der Stiftung, Paul Gauselmanns Stimme hat doppeltes Gewicht. Nach seinem Ausscheiden wird die Zukunft des Unternehmens mit einfacher Mehrheit bestimmt. Von Konflikten geht er aus, aber die Stiftung biete einen sicheren Rahmen für das Unternehmen.

Reibereien gab es schon mit seinen beiden Söhnen Peter und Michael, die das Unternehmen (nicht aber die Stiftung) schon länger verlassen haben. Vor allem mit letzterem war sich Paul Gauselmann uneins darüber, wer das Unternehmen weiterführen sollte. Im Vorstand der Merkur-Gruppe ist derzeit noch sein dritter Sohn Armin aktiv, der selbst schon 62 Jahre alt ist. Vom Unternehmen heißt es, sobald Paul Gauselmann ausscheidet, werde ein Gauselmann an „entscheidender Stelle“, sei es im Vorstand oder Aufsichtsrat, im Sinne des Gründers mitbestimmen. Wahrscheinlichster Kandidat dürfte Armin Gauselmann sein.

Ebenso wie in seinem Unternehmen ist Paul Gauselmann, der stets im Dreiteiler und gerne mit Zigarillo in der Hand auftritt, in der Stadt Espelkamp allgegenwärtig. Der Ort ist durchzogen von Spenden und Projekten, unter denen der Name Gauselmann steht. Ein Wandgemälde hier, ein Brunnen dort und vor den Toren der Stadt das renovierte Schloss Benkhausen, das dem Unternehmen als Tagungsstätte dient. Dort schaute Mitte März auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Zuge eines Ortsbesuchs vorbei.

Die vielen Spenden, die Gauselmann und Mitarbeiter seines Unternehmens tätigen, brachten ihn 2011 ins Rampenlicht. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte berichtet, dass aus der damaligen Gauselmann-Gruppe über 1 Million Euro an verschiedene Parteien geflossen waren. Das Unternehmen bestätigte den Betrag, bestritt aber, dass dies zur Einflussnahme geeignet war. Zusammengerechnet wurden über rund 20 Jahre Beträge von 50.000 bis 80.000 Euro jährlich verteilt an die Union, SPD, FDP und Grüne gespendet. Eine Ermittlung gegen das Unternehmen wurde eingestellt.

So viel Anrüchigkeit sein Gewerbe umweht und so viel Druck von allen Seiten auf es einwirken, so entspannt scheinen die vielen Jahre darin Paul Gauselmann gemacht zu haben. Kontroversen umschiffte er in der Vergangenheit geschickt und sein Unternehmen ist mit seiner breiten Aufstellung in vielen Ländern zukunftsfest. Viel gibt es für ihn augenscheinlich nicht mehr zu tun.

Aus seinem Umfeld heißt es allerdings, dass ihm noch ein letztes Stück des Pazifiks fehle, das er auf seinen Kreuzfahrten – die einzige Art Urlaub, die er sich jedes Jahr gönnt – mit seiner Frau Karin noch befahren muss.

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