LEISTUNGSBEURTEILUNG: INTROVERTIERTE SIND ANDERS LEIDENSCHAFTLICH

Führungskräfte befördern gern lebhafte, temperamentvolle Teammitglieder. Ruhige Leistungsträger dagegen gehen oft leer aus. Woran das liegt und wie es sich ändern lässt, hat ein internationales Forschungsteam aus Harvard und Berlin herausgefunden.

Introvertierte Menschen ziehen im Berufsleben oft den Kürzeren: Sie stehen weiter unten in der sozialen Hierarchie, bekommen seltener eine Gehaltserhöhung und werden nicht so oft befördert – auch wenn sie genauso gute Arbeit leisten wie ihre extrovertierten Kollegen und Kolleginnen. Warum ist das so? Forschende der Harvard Business School und der Humboldt-Universität zu Berlin sind dieser Frage nachgegangen und haben den entscheidenden Auslöser für die Ungleichbehandlung gefunden: die Art, wie jemand Begeisterung oder Leidenschaft für eine Aufgabe ausdrückt.

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Im Rahmen ihrer Studie baten sie 165 Paare – bestehend aus einer Führungskraft und einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter –, zwei Dinge zu bewerten: wie leidenschaftlich die andere Person an ihre Arbeit herangeht und für wie leidenschaftlich sie sich selbst halten. In einem standardisierten Persönlichkeitstest wurden die Probanden auf Extra- oder Introversion getestet. Es zeigte sich, dass Führungskräfte ihre introvertierteren Angestellten durchweg als weniger leidenschaftlich wahrnahmen als die extrovertierteren – unabhängig davon, wie begeisterungsfähig diese sich selbst fanden.

Tatsächlich sind Introvertierte in der Regel genauso leidenschaftlich bei der Sache wie Extrovertierte. Sie drücken ihr Engagement nur anders aus, wie das Forschungsteam in einer weiteren Befragung unter gut 1300 Vollzeitbeschäftigten herausfand: weniger durch äußerlich sichtbares Verhalten (Lachen, lautes Sprechen), sondern indem sie mehr Zeit in die Qualität ihrer Arbeit investieren. So berichtete eine Person, dass sie in einer Situation besonderer Begeisterung „nicht mit [meinen Kollegen] über andere Dinge gesprochen, sondern mich auf die anstehende Aufgabe konzentriert habe“.

Wie können Führungskräfte dieser verzerrten Wahrnehmung beikommen? Die Forschenden empfehlen, zunächst ohne Wertung die Teammitglieder zu fragen: Wie verhältst du dich, wenn du mit Begeisterung bei der Arbeit bist? Zudem könnten sie Introvertierten andere Formen der Kommunikation wie schriftliche Berichte oder Einzelgespräche ermöglichen. Und sie sollten sicherstellen, dass sie bei Beförderungen, Boni oder Gehaltserhöhungen die tatsächliche Leistung einer Person im Blick haben. „Wir alle müssen verstehen, dass Leidenschaft nicht immer hell brennt“, schreibt das Autorenteam. „Trotzdem kann sie heiß genug sein, um ein inneres Feuer zu entfachen.“

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Quelle: Kai Krautter et al.: „Extraverts Reap Greater Social Rewards From Passion Because They Express Passion More Frequently and More Diversely“, Personality and Social Psychology Bulletin, November 2023

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