FRAGEN & ANTWORTEN ZUR CANNABIS-FREIGABE IN HESSEN

Von Ostermontag an dürfen Erwachsene unter bestimmten Bedingungen legal Cannabis konsumieren - das Gesetz zur teilweisen Freigabe tritt am 1. April in Kraft. Die politisch hochumstrittene Neuregelung hat in der Praxis Auswirkungen auf viele Bereiche, darunter Polizei und Justiz. Suchtexperten fordern die Landesregierung aus CDU und SPD auf, rasch die Umsetzung des Gesetzes voranzutreiben. Nur so könne die Suchtprävention entsprechend angepasst werden. Nachfolgend Fragen und Antworten zur bevorstehenden Zäsur in der deutschen Drogenpolitik.

Was bedeutet der kommende Montag für die Polizei?

Auf die Polizeibehörden kommen neue Herausforderungen sowohl im präventiven als auch im repressiven Bereich zu, wie das hessische Innenministerium mitteilt. Dies gelte insbesondere für die Überwachung des Jugendschutzes: „Auch nach einer teilweisen Entkriminalisierung kommen zahlreiche strafrechtliche Verstöße in Betracht, etwa bei Überschreitung der maximal zulässigen Mengen oder bei Abgabe an Jugendliche“, erklärt das Ministerium. Zudem ergeben sich Änderungen im Straßenverkehr. Delikte in dem Bereich könnten „im Hinblick auf einen Anstieg des Konsums möglicherweise noch bedeutsamer“ werden. Grundsätzlich sei nicht mit einer Entlastung, sondern weiterhin mit einem hohen Aufwand für die Polizei zu rechnen

Wie ist die Situation für die Justiz?

Laut dem neuen Gesetz müssen noch nicht vollständig vollstreckte Strafen wegen Cannabisdelikten, die künftig nicht mehr strafbar wären, erlassen werden. Seit November würden deshalb hessenweit rund 190.000 Strafverfahren noch einmal angesehen, sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Georg Ungefuk. Man beschränke sich nicht nur auf reine Drogendelikte. Beispielsweise könne auch in einem Wirtschaftsverfahren bei einer Durchsuchung eine geringe Menge Cannabis gefunden worden sein. Dann müssten auch hier rückwirkend die ab 1. April geltenden Regelungen angewandt werden, die den Besitz von 50 Gramm zu Hause gestatten. Priorität hätten Fälle, in denen es um Haft- oder Geldstrafen gehe. „Das ist eine immense Arbeit, die hier zu machen ist“, sagt Ungefuk.

Wie sehen Suchtexperten die Neuregelung?

Sie sehen Für und Wider. Die Hessische Landesstelle für Suchtfragen (HLS) etwa begrüßt, dass das Cannabisgesetz die Suchtprävention, Frühintervention und Kooperation mit der Suchthilfe in den Fokus rücke. „Zudem ist erfreulich, dass der Gesetzgeber Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz sowie zur Suchtprävention in Anbauvereinigungen aufgenommen hat und diese somit stärkt“, teilt die stellvertretende HLS-Vorsitzende Nathalie Bonnet mit. „Allerdings gibt es bisher noch kein Ausführungsgesetz in Hessen, und daher ist unklar, wie die Regelungen zu den Schulungen von Präventionsbeauftragten gestaltet werden.“ Auch die Inhalte eines Gesundheits- und Jugendschutzkonzepts für Hessen seien bislang nicht festgelegt, daher gebe es Bedenken, dass sich die praktische Umsetzung hinauszögert.

Die HLS fordere die Landespolitik auf, zügig die Umsetzung des Gesetzes voranzutreiben. „Dabei sollten flächendeckende Präventionsangebote in den Lebenswelten der Jugendlichen berücksichtigt werden. Eine kohärente Drogen- und Suchtpolitik muss mit einem starken gesetzlichen Kinder- und Jugendschutz einhergehen, um Heranwachsende umfassend über die Risiken und Gefahren von Suchtmitteln aufzuklären und zu beraten“. Sowohl Land also auch Kommunen sollten dafür die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen, so die HLS.

Wie bereiten sich die Cannabis-Clubs auf den 1. April vor?

Anders als Privatpersonen dürfen die Cannabis-Clubs erst im Juli mit dem nicht-kommerziellen Anbau beginnen. „Wir werden am 1. Juli die Anbaulizenz beantragen und können erst mit der Produktion beginnen, wenn diese vorliegt“, sagt Willi Kappes, Gründer des High Green Palace Clubs in Fulda. Der Club habe bereits eine knapp 700 Quadratmeter große Halle angemietet. Bis zur ersten Ernte werde es noch dauern. „Die Behörden haben für die Genehmigung der Lizenz eine Bearbeitungszeit von bis zu drei Monaten eingeräumt, die Pflanzen brauchen weitere zwei bis drei Monate bis zur Ernte“, erklärt Kappes. Der Red Lion Club in Gießen sucht noch nach einer Produktionshalle, wie der Vorsitzende Tim Barton sagt. Beide Clubs rechnen frühestens zum Jahresende mit der ersten Abgabe.

Wie steht es um die geplante Abgabe in Modellkommunen?

Geplant ist zudem, Cannabis in lizenzierten Geschäften reguliert an Erwachsene abzugeben. Dies soll zunächst in Modellkommunen erprobt werden. Frankfurt hat sich dafür beworben und hält daran auch fest, wie das Gesundheitsdezernat mitteilt. Man sei bereit, es fehle nur noch der Startschuss aus Berlin, erklärt ein Sprecher. Frankfurt hofft, dass lizenzierte Verkaufsstellen dazu beitragen, den Schwarzmarkt einzudämmen, die Verbreitung von verunreinigtem Cannabis zu verhindern und den Jugendschutz zu stärken. Die Bewerbung als Modellkommune ist gemeinsam mit der Nachbarstadt Offenbach geplant.

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